Potenzialanalyse

Je mehr unterschiedliche Bauteile im Prozess verarbeitet werden, desto komplexer wird dieser. Entsprechend steigen die Anforderungen an den Endeffektor (Greifer) des Cobots. Das kann dazu führen, dass ein individualisierter Endeffektor entwickelt werden muss. Möglich sind auch Wechsel des Endeffektors im Prozess, was allerdings mit zusätzlichem Zeitaufwand verbunden ist.

Je höher die Abweichungen in der Größe von ansonsten baugleichen Bauteilen sind, desto schwieriger wird es für einen Roboter diese zu greifen. Es sind dementsprechend größere Investitionen in ein robustes Greifsystem nötig oder das Greifen des Bauteils wird vom Menschen weiterhin durchgeführt.

Da der Cobot auf Basis geometrischer Daten manipuliert, sind biegesteife Bauteile für die Handhabung am besten geeignet. Auch die Feinfühligkeit (Erfassung des Drucks beim Greifen durch Sensorik) des Roboters wird durch weiche, verformbare Bauteile vermindert, da diese eine Art Dämpfung bei Kontakt mit dem Robotergreifer bewirken.

Das Handhaben von schweren Bauteilen erfordert ein entsprechend robustes Greifsystem. Neben den Anforderungen an die mechanischen Strukturen und die Aktoren, steigen die Sicherheitsanforderungen und die Verfahrgeschwindigkeit des Cobots muss in den meisten Fällen reduziert werden.

Auch das Gewicht des Endeffektors ist für die Traglast des Roboters relevant und sollte bei der Auswahl beachtet werden.

Die menschliche Hand ist nach heutigem Stand das zuverlässigste Greifwerkzeug. Abhängig von der Beschaffenheit der Bauteile (Geometrie/Form, Größe, Material, Komplexität etc.) stoßen mechanische Greifer von Cobots an ihre Grenzen.

So lassen sich Bauteile mit einer sehr komplexen Geometrie nur an bestimmten Stellen greifen bzw. ansaugen oder es bedarf individualisierter Greifsysteme. Große, ebene Flächen würden das Ansaugen des Bauteils sehr erleichtern. Sehr kleine Bauteile, wie Nägel oder Kleinstbauteile für eine Uhrenmechanik, können wiederum nur sehr schwer von mechanischen Greifern gegriffen werden.

Schätzen Sie deshalb bitte ein, inwieweit sich das Ansaugen oder das Greifen für die relevanten Teile umsetzen lassen würde.

Je mehr Werkzeuge für den Prozess notwendig sind, desto komplexer wird eine MRK. Gleichzeitig sind die Einsatzmöglichkeiten des Cobots eingeschränkt, da dieser nicht jedes Werkzeug handhaben kann. Dafür bedarf es zum Beispiel speziell für den kollaborativen Betrieb zertifizierte Werkzeuge. Sind dennoch mehrere Werkzeuge bzw. Greifer notwendig, kommt es zu einer Verlangsamung des Arbeitsprozesses durch erhöhte Wechselzeiten der Endeffektoren.

Die verschiedenen Cobot-Modelle weisen unterschiedlich große Arbeitsräume auf. Für große Arbeitsräume muss entsprechend in größere Robotersysteme investiert werden. Die Arbeitsräume von Cobots sind aktuell auf etwa 1,8 m limitiert (Stand November 2020). Hinzu kommt die reduzierte Verfahrgeschwindigkeit von Cobots aufgrund der Nähe zum Menschen. Entsprechend benötigt der Cobot mehr Zeit für Teilprozesse, je größer die zu überwindende Strecke ist.

Der technische und zeitliche Aufwand des Greifens eines Bauteiles durch einen Cobot hängt direkt mit der Art der Materialbereitstellung zusammen. Geordnete und fixierte Bauteile (Keine Freiheitsgrade) können vergleichsweise einfach gegriffen werden. Je mehr Orientierungsrichtungen der Bauteile möglich sind, desto schwieriger wird der Greifprozess. Noch komplexer wird die Situation, wenn die Bauteile nicht nur auf einer ebenen Fläche bereitgestellt werden (z.B. unsortierte Bereitstellung von Modulgehäusen in einer Kiste).

Durch intelligente Kamerasysteme ist es möglich, Objekte zu erfassen und den Cobot aufgrund der erfassten Position zum Objekt zu steuern. Je weniger Koordinaten durch solch ein System erfasst werden müssen, desto weniger Aufwand fließt in die Umsetzung. Gleichzeitig reduziert sich die benötigte Zeit für den Greifprozess.

Die Materialbereitstellung bzw. – entsorgung durch den Beschäftigten beansprucht Zeit und tritt azyklisch zum üblichen Arbeitsprozess des Beschäftigten ein. Je öfter Material für den Cobot ausgetauscht werden muss, desto länger dauert der Gesamtprozess. Wenn der Cobot beispielsweise Bauteile aus einem Blister mit 50 Bauteilen greift, wobei die Taktzeit (pro Bauteil) 30 Sekunden beträgt, wäre der Blister nach 25 Minuten geleert und müsste vom Beschäftigten ausgetauscht werden.

Arbeitsaufgaben können auf einem Kontinuum zwischen körperlichen und geistigen Aufgaben verteilt werden. Die Aufgaben, die geistige Fähigkeiten der Beschäftigten erfordern, beruhen meist auf der menschlichen Sensorik oder auf menschlichen Kompetenzen, die über die aktuellen Kapazitäten der Robotern hinaus gehen (z.B. Kreativität, Entscheidungstreffen in unsicheren Situationen). Dementsprechend können sie im Rahmen einer Mensch-Roboter-Kollaboration nur schwierig automatisiert werden. Beinhaltet eine Aufgabe am Arbeitsplatz überwiegend körperliche Elemente, so kann die MRK eine physische Entlastung der Beschäftigten darstellen.

Ein Ziel des Einsatzes einer MRK ist es, die Ergonomie am Arbeitsplatz für die Beschäftigten zu verbessern. Die Erfassung der Belastung ist deswegen zentral in der Auswahl eines geeigneten Arbeitsplatzes. Belastungen sind objektive externe Faktoren, die auf eine Person wirken. Sie treten vielfältig am Arbeitsplatz auf und beinhalten sowohl physische (z.B. Lasten, Zwangshaltungen) als auch psychische Parametern (z.B. Zeitdruck, keine Entscheidungsbefugnisse). Kritische Elemente in dieser Bewertung der Belastung sind die Intensität und die Dauer/Häufigkeit der Belastung. Die subjektive Wahrnehmung einer Belastung von einer Person wird hingegen Beanspruchung benannt.

Die Stärken des Cobots liegen in seiner Präzision, Feinmotorik und Ausdauer. Ein Cobot könnte daher einen Prozess mit diesem Anforderungsprofil unterstützen und den Menschen entlasten. Dadurch kann eine konstante Qualität und eine niedrige Fehlerquote erreicht werden. Ab einem gewissen Grad an Feinmotorik kann der Cobot die menschliche Hand nicht ersetzen. Prozesse mit extrem hohen Anforderungen an  feinmotorische Fähigkeiten sollten dem Menschen überlassen bleiben. Der Cobot kann in solchen Prozessen aber beispielsweise Zuarbeiten leisten.

Gefahren, z.B. durch das Handhaben schwerer Lasten, Quetschen oder Einklemmen, können durch eine gut geplante Arbeitsteilung zwischen Mensch und Cobot reduziert werden. Arbeitsplätze, bei denen die Gefahren eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit aufweisen, könnten im besonderen Maße davon profitieren. Dort könnte der Cobot die gefahrbehafteten Teilprozesse übernehmen.

Neben der Eintrittswahrscheinlich der Gefahren ist auch ihr Potenzial an Schadensausmaß zu betrachten. Durch ein ausgewogene Verteilung zwischen Mensch und Cobot könnten kritische Verletzungen reduziert werden. Es besteht allerdings die Gefahr, dass einige sehr kritische Tätigkeiten nur schwierig bzw. gar nicht vom Cobot übernommen werden können. In solchen Fällen wären die zu erfüllenden Sicherheitsnormen und -spezifikationen nicht erfüllbar.

Je nach Bereich, in dem sich der Arbeitsplatz befindet, kann seine Attraktivität durch den Einsatz eines Roboters gesteigert werden. Zudem entstehen Arbeitsplätze mit einem veränderten Anforderungsprofil bspw. im Kontext der Roboterprogrammierung und -wartung. Dadurch könnten die Beschäftigte von körperlich ermüdenden und repetitiven Teilaufgaben entlastet werden.

Sollten Beschäftigte dem CoBot voreingenommen oder gar ängstlich gegenüberstehen, kann ein erhöhter Bedarf an Schulungen oder Fortbildungen notwendig sein. Die Beschäftigten können im schlimmsten Fall die Nutzung des Roboters verweigern. Um dies zu umgehen, sollte die Idee, eine MRK einzuführen, frühzeitig kommuniziert werden. Außerdem sollte stets darauf aufmerksam gemacht werden, dass die MRK nicht die Beschäftigten ersetzen, sondern entlasten soll.

Einige Arbeitsprozesse benötigen eine Bewertung durch die menschliche Wahrnehmung z.B. das Klickgeräusch beim Einrasten eines Schalters. Übernimmt der Roboter diese Wahrnehmungsaufgabe des Menschen, wird die technische Umsetzung der Applikation stark erschwert. In solchen Fällen sind zusätzliche Sensoren und Programme für die Umgebungswahrnehmung nötig.

Die Einführung eines Cobots erfordert meistens eine gewisse Zeit, damit die Beschäftigten sich an den neuen Arbeitsplatz gewöhnen. Vorerfahrungen mit cobotgestützten Arbeitsplätzen können diese Adaptierung erleichtern und die notwendige Anpassungszeit verkürzen.

Die Programmierung von Cobots gilt als wesentlich unkomplizierter im Vergleich zu konventioneller Robotik.  Sie benötigt aber trotzdem ein gewisses Vorwissen, das meist über Schulungen an die Beschäftigte weitergegeben wird. Die Beschäftigten sollten dementsprechend eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber solchen Weiterbildungsmaßnahmen mitbringen, um die neue Aufgabe zu erlernen.

Cobots eignen sich grundsätzlich für mittlere Serien. Bei sehr kleinen Produktionsserien oder sogar Einzelfertigungen sind der Aufwand und die Kosten, welche durch Umrüsten und Umprogrammieren entstehen, besonders hoch. Eine Cobot-Installation ist in solchen Fällen meistens nicht wirtschaftlich. Bei einer Massenfertigung dagegen lohnt es sich meist, statt einer MRK, über eine vollständige Automatisierung nachzudenken.

Eine MRK kann grundsätzlich die Kapazität am Arbeitsplatz erhöhen und somit Engpässe reduzieren. Im Vergleich zu einer Vollautomatisierung kann die MRK allerdings nur eine geringe Kapazitätssteigerung bewirken. Außerdem müssen Wartungs- und Reparaturarbeiten einkalkuliert werden, um Produktionsausfälle und -verzögerungen zu vermeiden.

Bei einer mittleren Auslastung besteht das höchste Potenzial einer MRK, da die Vorteile des Cobots dort am besten genutzt werden könnten (z.B. Flexibilität). Auch bei eher niedrigen Auslastungen kann sich eine MRK lohnen. In solchen Fällen könnten zum Beispiel zwei Arbeitsplätze mittlerer Auslastung unterstützt werden. Extrem hoch ausgelastete Arbeitsplätze eignen sich auf der anderen Seite oft mehr für eine Vollautomatisierung. Die Implementierung eines Cobots bei sehr gering ausgelasteten Arbeitsplätzen lohnt sich idR aus finanziellen Gründen nicht, da der ROI (Return Of Investment) zu hoch ist.

Zwar könnte grundsätzlich ein Cobot hohe Auslastungen und somit Lastspitzen bei Schwankungen in der Auslastung abfangen. Allerdings wäre er dann in den Zeiten niedriger Auslastung selbst nicht ausgelastet. Um eine wirtschaftlich rentable Anschaffung zu gewährleisten, sollte somit eine relativ konstante Auslastung vorliegen.

Die Flexibilität des Cobots gehört zu seinen größten Vorteilen. Ähneln sich Arbeitsprozesse oder sind gar mehrfach vorhanden, könnte der Cobot mobil aufgebaut und so flexibel an verschiedenen Arbeitsstationen eingesetzt werden. Somit könnte sein Nutzwert und die Gesamtauslastung erhöht werden.

Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter muss vom Menschen erlernt werden, damit dieser sich aktiv vor Gefährdungen schützen kann. Je häufiger Beschäftigte an den betrachteten Arbeitsplatz wechseln, desto mehr Kosten entstehen für solche Schulungen. Zusätzlich führt ein mehrfacher Wechsel der Verantwortlichen am Tag zu Umstellzeiten des Roboters, da dieser auf jede Person und ihren Eigenschaften (z.B. Körpergröße, Arbeitsposition) angepasst werden sollte.

Ähnlich wie bei Schichtwechseln ist der sogenannte Turnover, also der Stellenwechsel, ein wichtiger Aspekt. Neue Beschäftigte müssen durch Schulungen/ Weiterbildungen eingelernt und über mögliche Gefährdungen und den korrekten Umgang aufgeklärt werden. Außerdem ist eine gewisse Einarbeitungszeit vonnöten, bis sie alle Prozesse komplett beherrschen (z.B. Reaktion bei Betriebsstörungen). Dementsprechend ist eine hohe Fluktuation des Personals für solche Arbeitsplätze oft ungünstig.